Auf zum Brocken
EIGENTLICH wollten wir Punkt Acht Uhr starten.
Wir kommen erst eine halbe Stunde später los. Egal. Ist ja alles freiwillig.
Wir gehen einen besonderen Weg. Über die Schneelöcher. Mehr dazu am Ende dieses Beitrages.
Einsam bleibt das Auto auf dem exklusiv von uns genutzten Parkplatz zurück. Vorerst.
Es ist schön frisch, knapp unter Null Grad, hier auf Starthöhe. Die liegt bei 290 m Höhe über Meer. Hier im Ilsetal liegt genug Schnee, dass es sich wie ein ordentlicher Winter anfühlt.
Der Tag ist gut gewählt. In spätestens zwei Tagen wird es deutlich wärmer. Dann wird auch in den höheren Lagen der Schnee weich und nass und damit unbegehbar - trotz unserer Ausrüstung, deren wichtigste Teile Schneeschuhe und Schneegamaschen für solch ein Tour sind.
Dank des späten Sonnenaufgangs wirkt es in Ilsenburg irgendwie, als wäre es noch SEHR früh...
Es geht zunächst gute 4 km bergauf zum ersten Fixpunkt. Dabei folgen wir fast die ganze Zeit dem Verlauf der Ilse: dem Bach, der "Ilsenburg" seinen Namen gab.
Entlang unserer Route hat der Winter viele schöne Akzente gesetzt.
Dieser erste Fixpunkt unserer Tour ist die "Bremer Hütte", in der Nähe der "Ilsefälle." Damit haben wir nach gut vier Kilometern schon 250 Höhenmeter geschafft. Weitere 600 sollen es heute noch werden.
Beim Begehen eines solchen Weges gibt es ein interessantes Phänomen: ansteigend dem Weg zum Gipfel nehmen die Schwierigkeiten permanent zu. Dadurch wird das Verhältnis von Zeit und zurückgelegter Strecke auch stetig verändert.
Wir werden für das letzte Drittel der Strecke mehr Zeit benötigen, wie für die ersten zwei Drittel zusammen.
Hier an der "Bremer Hütte" haben wir nach gut einer Stunde etwas mehr als das erste Drittel der Entfernung geschafft.
Nach einer kurzen Rast werden die Schneeschuhe angezogen. Der Schnee ist schon wesentlich tiefer.
Das Gelände ist nun deutlich offener. Der Harz hat seine Chance genutzt und sich von dem für die Natur fast wertlosen Industrie-Fichtenwald befreit.
Abgesehen vom tollen Blick sieht man selbst jetzt im Winter, wie sich die Natur im Schutz der Totbäume mit aller Kraft entwickelt.
SCHNEE, SCHNEE und SCHNEE
Gut zwei Stunden sind wir nun durch den schönen Harzer Winter gestapft. Wir haben nun "Stempelsbuche" erreicht.
Ab hier gibt es deutliche Änderungen für die weitere Tour. Konnten wir bis jetzt recht locker auf breiten Forstwegen gehen, werden wir nun bis zum Brockengipfel immer schwierigere Wege und Pfade benutzen. Die nächste Stufe ist ein recht schmaler, aber gut markierter Weg, der jetzt im Winter eher Pfad-Charakter besitzt.
Die Fichten dieses Industriewaldes, unterhalb der Schneelöcher und damit an der Ostflanke des Brockens, sind vor ungefähr zehn Jahren abgestorben. Ich gehe diesen Weg - mit Unterbrechungen - seit über 15 Jahren. Gerade in diesem Bereich sind in den letzten Jahren sehr viele Totbäume gefallen. Seit Kurzem aber hinterlassen die Jungbäume einen stärkeren Eindruck als das Totholz.
Das macht allerdings das Begehen des Weges - nicht gerade leichter...
Wir haben hier also mit einem steil aufwärts gehendem "Weg" zu tun. Mit liegenden Bäumen, die alle paar Meter mit Schneeschuhen überwunden werden müssen. Ach ja, Schneeschuhe, da bis zu 30cm tiefer Schnee liegt. Und gelegentlich gibt es auch mal ein "schöne" Schneedusche von den jungen Fichten.
Diese ganzen Ursachen führen dazu, dass unsere durchschnittlich Geschwindigkeit zum Ende bis auf einen Kilometer pro Stunde abfällt. Und das trotz deutlichem Gemecker unserer Oberschenkel. Schneeschuhgehen ist unter solchen Bedingungen sehr kräftezehrend.
Aber es ist die einzige Möglichkeit, bei solchen Bedingungen überhaupt gehen zu können. Und auch das klappt nicht immer.
Vor einigen Jahren gab es einen überraschenden Temperaturanstieg. Der Schnee wurde zu Matsch, trotz Schneeschuhen sanken wir oft bis zum Schritt ein und die Füße brachen in das Tauwasser unter dem Schnee durch.
Wir erreichten damals erst abends nach der Dämmerung den Gipfel, völlig durchnässt.
Heute allerdings ist das Wetter stabil und angenehm.
Mit dem Erreichen des Schneelochweges und der damit verbundenen Höhe von 800 m NHN ändert sich das Wetter für uns. Wir tauchen nun in die oft über dem Brocken liegende Wolkendecke ein.
Die schöne Aussicht ins Harzvorland ist nun dahin. Entschädigt werden wir mit einer spektakulären Winterlandschaft.
DER GIPFEL
Es ist hier oben kälter, feuchter und deutlich windiger. Viele unerfahrene Besucher sind von dem oft drastischen Unterschied des Brockenklimas zum nur 1000 Meter tiefer liegenden Umland überrascht.
Wenn unten eine frische Brise weht, ist es oben oft gefährlich stürmisch. Und extrem unangenehm.
Unser Weg wird in seinem ursprünglichen Verlauf von der Trasse der Brockenbahn unterbrochen. Diese taucht überraschend aus dem Nebel auf.
Die letzten Höhenmeter bis zum Brockenplateau sind speziell. Der kalte Wind beißt und gleichzeitig entstehen aus der Kombination von Wind, Winter, Nebel und Licht im Sekundentakt neue, wunderschöne und einmalige Bilder.
Wenige Menschen tauchen gelegentlich aus dem kalten Weiß auf und verschwinden wieder.
Den Gipfel erreichen wir Sechs Stunden nach dem Start. Es ist nachmittags. Wir haben lediglich 11 Kilometer zurückgelegt - und dabei nicht gebummelt.
Wir rasten im historischen Wolkenhäuschen und bereiten uns auf den Abstieg vor.
Der Weg zurück führt uns über den ehemaligen Kolonnenweg oder Hirtenstieg und weiter unten über die Hermannstraße, Stempelsbuche zur Bremer Hütte und die Ilsefälle.
Den Ilsestein passieren wir, als längst der Mond die Sonne verscheucht hat.
Wir benötigen die Hälfte der Zeit des Aufstieges. Insgesamt waren wir neun Stunden unterwegs - für 21,4 Kilometer.
DER SCHNEELOCHWEG
Hier der Paragraf aus dem im Nationalpark Harz allein gültigen Gesetz zur Regelung des Betretens im Nationalpark Harz, dem
"Gesetz über den Nationalpark „Harz (Sachsen-Anhalt)“
Vom 20. Dezember 2005"
"§ 6
Betreten
(1)
1 Das Betreten des Nationalparks ist nur auf entsprechend kenntlich gemachten
Wegen, Loipen und sonstigen Flächen erlaubt, soweit dieses Gesetz nichts anderes
bestimmt.
2 Die zulässige Art und Weise des Betretens richtet sich nach der
Kennzeichnung, die die Nationalparkverwaltung in Umsetzung von Teil II des
Wegeplans (§ 12) vornimmt.
(2) Unberührt bleibt das Recht der Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigten
ihre Grundstücke einschließlich der erforderlichen Zuwegung zu betreten."
Leider ergibt das Alles keinen Sinn. Der Schneelochweg ist einer der schönsten und anspruchsvollsten Wege im Harz.
Er ist hervorragend markiert und freigeschnitten und beräumt.
Immer wieder werden einzelnen, offensichtlich privilegierten Wandergruppen "Genehmigungen" zum Bewandern des Weges erteilt.
Aber der Schneelochweg wird nicht im Wegeplan des Nationalparkgesetzes aufgeführt. Auch ist die Möglichkeit der Erteilung von Genehmigungen für Wandergruppen nur sehr schwer aus dem Nationalparkgesetz ableitbar. Aber schlicht unmöglich für einen Weg, der laut Wegeplan nicht existiert.
Da der Weg aber entsprechend der Betretungsvorschriften gut markiert ist, kann ich persönlich kein Vergehen erkennen, das aus einer Bewanderung hervorgehen könnte.
Das ist keine rechtliche greifbare Empfehlung, nur eine persönliche Meinung.
Viele Grüße.
Von mir verwendete fotografische Ausrüstung:
CANON EOS 1DX.
SIGMA 40mm F1.4 DG HSM | Art